WIRTSCHAFT und WETTBEWERB
Das Bundeskartellamt als Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften?

Das Bundeskartellamt als Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften?

Prof. Dr. Gabriela von Wallenberg

Prof. Dr. Gabriela von Wallenberg
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Joachim von Ungern-Sternberg, Richter am BGH a. D., fordert in seinem Artikel „Die Herausgeberbeteiligung der VG Wort – rechtswidrige Ausschüttungen an nichtberechtigte Dritte“ (JurPC Web-Dok. 25/2019), das BKartA solle die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften übernehmen. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) als aufsichtsführende Behörde über die Verwertungsgesellschaften (§ 75 Abs. 1 VVG) habe jahrelang Ausschüttungen der VG Wort an Verleger geduldet, obgleich diese nicht zulässig waren. Jetzt stelle sich die gleiche Situation bei den Herausgebern, die die VG Wort unzulässigerweise an den Erträgen, die eigentlich den Urhebern zustehen, beteilige.

Herausgeber als Urheber?

Der BGH hatte in seinem Urteil „Verlegeranteil“ vom 21.04.2016 (I  R 198/13, RS1263674) entschieden, dass die VG Wort an Verleger keine Erträge ausschütten dürfe, da diese keine Rechte in die VG Wort einbrächten. Als Folge dieses Urteils wird nun ein Einschreiten des DPMA als Aufsichtsbehörde der VG Wort gefordert, um Ausschüttungen an Herausgeber zu unterbinden, soweit sie keine Urheber sind. Laut von Ungern-Sternberg hat die VG Wort vor der Neufassung des Wahrnehmungsvertrages (09.08.2018) Erträge an Herausgeber ausgeschüttet, die sich als solche bezeichneten oder so (von den Verlagen) bezeichnet wurden, ohne dass ihnen ein urheberrechtlicher Schutz zustand. Diese Praxis werde auch nach der Neufassung des Wahrnehmungsvertrages fortgeführt. An den Ausschüttungen beteiligt werden dürfen aber nur Herausgeber, die Inhaber von Urheberrechten an Sammelwerken (§ 4 Abs. 1 UrhG) sind. Alle anderen Herausgeber müssen leer ausgehen, selbst wenn sie sich als solche bezeichnen oder so bezeichnet werden.

Das Bundeskartellamt ist keine Allzweckwaffe

Das Untätigsein des DPMA bezüglich der Ausschüttungen der VG Wort an Herausgeber, die keinen urheberrechtlichen Schutz genießen, veranlasste von Ungern-Sternberg, die Übertragung der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften auf das BKartA zu fordern. Sein Vorschlag zeigt, welche hohe Reputation sich das Amt in den über 60 Jahren seines Bestehens erarbeitet hat. Seine rein wettbewerbliche Prüfung in Fusionsfällen hat ihm manchmal laut geäußertes Unbehagen der Politik eingetragen, an seiner Arbeitsweise insgesamt hat es aber nie Kritik gegeben. Auch in der Bevölkerung ist das BKartA anerkannt.

Dass die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften durch das DPMA verbessert werden muss, haben 2007 schon die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ und 2014 der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gefordert. Bedauerlicherweise sagt die geltende EU-Richtlinie 2014/26/EU zur kollektiven Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten wenig zur Ausgestaltung der Aufsicht über Verwertungsgesellschaften; auch der deutsche Gesetzgeber hat sich im Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) wie schon im bis 31.05.2016 geltenden Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG) zurückgehalten. Dem Fehlen konkreter Vorgaben zur Aufsicht des DPMA über die Verwertungsgesellschaften auf der einen Seite steht ein ungenügender Rechtsschutz der Rechteinhaber, was die Aufsichtsbehörden betrifft, auf der anderen Seite gegenüber. Ihnen wird nämlich ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde verwehrt. § 75 Abs. 2 VGG stellt dieses nunmehr klar; anders noch das UrhWG, bei dem die Frage umstritten war.

Die Übertragung der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften auf das BKartA passt jedoch nicht zu den Zielen, die die Behörde verfolgt. Die Arbeit des Amtes ist auf den Schutz der Institution Wettbewerb ausgerichtet. Seine Aufgabe ist in erster Linie die Anwendung und Durchsetzung des GWB für alle Wirtschaftsbereiche. Verwertungsgesellschaften, die fehlerhafte Verteilungspläne aufstellen und dadurch die Ansprüche der Urheber auf Vergütungen verkürzen, berühren mit ihrer Tätigkeit nicht den Wettbewerb z. B. unter den Verwertungsgesellschaften. Wollte man dem BKartA im Wege der Aufsicht Einfluss auf die Verteilungspläne der Verwertungsgesellschaften geben, hieße dies, dem Amt regulatorische Befugnisse in einem bestimmten Sektor einzuräumen. Eine Sektorenaufsicht ist dem Amt fremd, anders als der Bundesnetzagentur, die als Regulierungsbehörde für einzelne Wirtschaftszweige fungiert. Es verbietet sich nicht nur eine vollständige Übertragung der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften auf das BKartA, sondern auch eine parallele Zuständigkeit beider Behörden. Der BGH hat schon 1988 (KVR 4/87) unter dem damals geltenden UrhWG entschieden, dass die Kontrolle des Verteilungsplans einer Verwertungsgesellschaft „danach, ob die Bestimmungen hinreichend feste Regeln enthalten, die ein willkürliches Vorgehen ausschließen“, allein dem DPMA obliegt. Das damals in § 7 Satz 1 UrhWG geregelte Willkürverbot findet sich nun inhaltlich unverändert in § 27 Abs. 1 VGG.

Das DPMA mag als Aufsichtsbehörde über die Verwertungsgesellschaften keine zufriedenstellende Arbeit für betroffene Rechteinhaber leisten. Das heißt aber nicht, dass es der richtige Weg ist, sie gegen eine Behörde auszutauschen, die eine für die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften nicht geeignete Zielsetzung hat. Eine andere Aufsichtsbehörde als das DPMA müsste für die urheberrechtlichen Fragen, die sich bei den Verwertungsgesellschaften stellen, prädestiniert sein. Im konkreten Fall der Beteiligung der Herausgeber an den Erträgen der VG Wort bleibt aber wie im Urteil „Verlegeranteil“ für den sich benachteiligt fühlenden Urheber die Möglichkeit, Klage gegen die Verwertungsgesellschaft zu erheben.