WIRTSCHAFT und WETTBEWERB
Common Ownership

Common Ownership

Prof. Dr. Daniel Zimmer

Prof. Dr. Daniel Zimmer
hbfm_wuw_2019_01_0001_a_1289967_a001.png

Ist es aus wettbewerblicher Sicht problematisch, wenn große institutionelle Investoren, etwa Fondsgesellschaften wie BlackRock, Vanguard und State Street, parallel Beteiligungen an mehreren Unternehmen halten, die auf Gütermärkten in Wettbewerb zueinander stehen? Empirische Untersuchungen von Azar, Schmalz und weiteren Autoren zu amerikanischen Luftverkehrs- und Bankdienstleistungsmärkten legen die Annahme des Bestehens eines Wettbewerbsproblems nahe. Und eine theoretische Betrachtung stützt die These von der Existenz eines Problems: Wenn die Leitungen der konkurrierenden Unternehmen das wirtschaftliche Interesse der bei ihnen engagierten Investoren in Rechnung stellen, könnte sie dies davon abhalten, sich untereinander allzu harten Wettbewerb zu machen. Institutionelle Investoren sind oft parallel an den wichtigsten Unternehmen einer Branche beteiligt. Es ist nicht in ihrem Interesse, dass diese sich etwa durch niedrige Preise gegenseitig Kunden abjagen. Die Europäische Kommission hat die parallele Beteiligung institutioneller Anleger im Zusammenschlussfall Dow/DuPont bei ihrer Wettbewerbsprognose als ein „element of context“ gewürdigt. Formal lässt sich ein Preissteigerungseffekt bei einem Beteiligungerwerb ähnlich begründen wie in anderen Fällen nicht-koordinierter Effekte: Eine Preissteigerung, die vor der Beteiligung institutioneller Investoren wegen des Ausweichens von Konsumenten auf Konkurrenzprodukte unprofitabel gewesen wäre, erscheint danach lohnend: Der Fonds ist auch an dem Konkurrenten beteiligt, dessen Produkte nun vermehrt gekauft werden.

Freilich setzt diese Gedankenführung voraus, dass die Leitungen im Wettbewerb stehender Unternehmen das Interesse der bei ihnen investierten Anleger in Rechnung stellen. Spricht der zumeist niedrige Anteilsbesitz der „Institutionellen“ von oft nicht mehr als jeweils fünf bis sieben Prozent an einer Gesellschaft dagegen, dass ihre Wünsche Berücksichtigung finden? Hier verbieten sich pauschale Aussagen. An vielen großen Gesellschaften beispielsweise der Chemieindustrie halten vier oder fünf große Fonds parallel Beteiligungen. Das kann bedeuten, dass ein Block von 20 oder mehr Prozent der Anteilseigner ähnlich gelagerte Interessen hat. Ein Management, das längerfristig im Amt bleiben möchte, mag gut beraten sein, die Wünsche eines so starken Blocks nicht gänzlich zu ignorieren. Dass Fonds nicht ohne Einfluss auf die Geschäftspolitik der Unternehmen sind, an denen sie Beteiligungen halten, zeigt ein Blick in die auf der Webseite der Fondsgesellschaft BlackRock veröffentlichte Darstellung „Proxy Voting and Shareholder Engagement FAQ“. Dort wird geschildert, mit welchen Kommunikationsformaten von „brief conversations“ bis hin zu einer „series of one-on-one meetings“ Fonds gegenüber Unternehmensleitungen ihre Unzufriedenheit mit deren Performance zum Ausdruck bringen. Freilich kann im Einzelfall gegen die Annahme, dass Unternehmen die Interessen institutioneller Investoren berücksichtigen, die bei ihnen bestehende Beteiligungsstruktur sprechen: Gibt es in einer Gesellschaft einen dominierenden Aktionär oder eine dominierende Aktionärsgruppe wie beispielsweise eine Familie, mag dies der Annahme der Berücksichtigung anderer Interessen, etwa derjenigen von Fonds, entgegenstehen.

Was folgt aus alledem? Solange institutionelle Investoren nicht aktiv das Marktverhalten der Unternehmen koordinieren, an denen sie beteiligt sind, scheidet eine Anwendung des Kartellverbots aus. Als kartellrechtliches Mittel der Wahl verbleibt allenfalls die Fusionskontrolle. Ihre Aufgabe ist es, wettbewerbliche Marktstrukturen zu erhalten. Freilich bleiben die Anteile institutioneller Anleger in aller Regel weit unter den Schwellenwerten, die nach europäischem oder deutschem Recht eine Anmeldepflicht begründen: Der Erwerb einer Beteiligung von fünf oder sieben Prozent vermittelt weder Kontrolle im Sinne der Fusionskontrollverordnung, noch kommt ein solcher Vorgang der 25 %-Schwelle des § 37 Abs. 1 Nr. 3b GWB auch nur nahe. Allenfalls die Variante des Erwerbs eines „wettbewerblich erheblichen Einflusses“ im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB könnte greifen.

Doch wäre eine fusionskontrollrechtliche Prüfung überhaupt zu wünschen? Wie wäre zu entscheiden, wenn als Folge des Erwerbs von fünf- bis siebenprozentigen Beteiligungen tatsächlich ein Erlahmen der Konkurrenz und damit eine „erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs“ zu besorgen wäre? Nach den geltenden Entscheidungsmaßstäben müssten solche Beteiligungserwerbe – wenn sie einer Prüfungspflicht unterlägen – untersagt werden. Zwar könnte eine Effizienzrechtfertigung unter dem Gesichtspunkt erwogen werden, dass beispielsweise mit Fonds, die einen gesamten Aktienindex abbilden, dem breiten Investorenpublikum ein vorteilhaftes Anlageprodukt geboten wird. Doch im Ergebnis müsste eine herkömmliche Effizienzverteidigung scheitern, da die Verbrauchervorteile nicht auf den Märkten eintreten würden, die von den fusionsbedingten Preissteigerungen betroffen wären.

Die Monopolkommission hat in ihrem XXII. Hauptgutachten auf den im Bereich des Common Ownership bestehenden Widerstreit zwischen wettbewerbs- und fnanzmarktpolitischen Anliegen hingewiesen. Sie hat verschiedene gesetzgeberische Handlungsoptionen in den Feldern des Kartellrechts und der Regulierung aufgezeigt und zugleich von Schnellschüssen abgeraten. Ihr ist zuzustimmen. Die Materie ist komplex und eignet sich wegen ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung nicht als Experimentierfeld. Sie ist bei weitem nicht in dem Maße erforscht, wie es vor einer Entscheidung über gesetzgeberische Aktivitäten erforderlich wäre. Die tatsächlichen Wirkungen von Common Ownership auf den Wettbewerb bleiben ein faszinierender Forschungsgegenstand.