WIRTSCHAFT und WETTBEWERB
Facebook: Kartellrechtlicher Datenschutz – das Ende der Gratiskultur im Internet?

Facebook: Kartellrechtlicher Datenschutz – das Ende der Gratiskultur im Internet?

Dr. Frederik Wiemer

Dr. Frederik Wiemer
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Das Bundeskartellamt hat Facebook (vorläufig) mitgeteilt, dass es seine marktbeherrschende Stellung auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke missbraucht. Der Missbrauch liege darin, dass Facebook den Nutzern – als Zugangsvoraussetzung zum sozialen Netzwerk – eine weitreichende datenschutzrechtliche Zustimmung abverlange, nach der Facebook die jeweiligen personenbezogenen Daten nach eigenem Gutdünken verarbeiten darf; und zwar insbesondere sog. „off-Facebook“-Daten, die mit Drittunternehmen ausgetauscht würden. Es handele sich insoweit, so das Amt, um einen Ausbeutungs-/Konditionenmissbrauch.

Das Vorgehen des Amtes gegen Facebook knüpft thematisch an die letztjährige Bußgeldentscheidung der Kommission gegen Google an und zeigt der Big Data-Industrie, dass sie sich den strengen europäischen Compliance-Regeln, zu denen sowohl Kartell- als auch Datenschutzrecht gehören, beugen muss. So weit so gut.

Im Vergleich zum Google-Verfahren fällt zunächst auf, dass das Amt, anders als die Kommission, wegen der Komplexität und der Neuartigkeit des Falles kein Bußgeld gegen Facebook verhängen will. Bemerkenswert, denn das Verfahren gegen Google war sicherlich nicht minder komplex.

Vielleicht liegt die „Großzügigkeit“ des Amtes daran, dass der kartellrechtliche Missbrauch in einem Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften begründet liegt; ein Rechtsgebiet, welches von den Datenschutzbehörden bislang nur selten mit Bußgeldern durchgesetzt wurde. Mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wird sich ab Mai 2018 insoweit einiges ändern. In Anlehnung an die VO 1/2003 sieht die neue DSGVO ähnlich hohe Bußgelder vor, nämlich von bis zu 4 % des weltweiten Gruppenumsatzes. Damit werden Datenschutzverstöße, ähnlich wie Kartellverstöße, in Zukunft für alle Unternehmen teuer, nicht nur für marktbeherrschende wie Facebook oder Google.

Wäre es dann nicht einfacher gewesen, das Verhalten Facebooks als Datenschutzverstoß den Datenschutzbehörden zu überlassen? Denn der Weg über §§ 18, 19 GWB enthält zusätzliche Rechtshürden (Marktbeherrschung und Missbrauch). Kartellrechtlich wäre wohl auch die Kommission angesichts der EU-weit einheitlichen Facebook-Konditionen berufen gewesen; nun ist unklar, ob die anderen Behörden im ECN nachziehen werden.

Das Amt hat Facebook jedenfalls als marktbeherrschend qualifiziert, was im Lichte der neuen § 18 Abs. 2a, Abs. 3a Nr. 4 GWB, die Daten als Marktmachtfaktor bezeichnen, wenig überrascht. Erstaunlich ist allerdings, dass es einen Ausbeutungsmissbrauch annimmt, weil den Nutzern offenbar eine – datenschutzrechtlich unzulässige, weil letztlich unfreiwillige – Einwilligung abgerungen wird. Vom Amt geschützt werden damit in erster Linie die Verbraucher als Privatpersonen und deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Dass auch der Wettbewerb geschützt wird, drängt sich nicht unmittelbar auf; denn andere soziale Netzwerke werden durch die beanstandete Praxis nicht daran gehindert, ebenfalls Daten zu sammeln – letztere sind ja duplizierbar. Und dass der Wettbewerb zwischen sozialen Netzwerken nicht funktioniert, liegt weniger an dem Datenschutzverstoß, als vielmehr an dem für soziale Netzwerke systeminhärenten „Single-Homing“. Mit anderen Worten: ein soziales Netzwerk macht erst dann Sinn, wenn sich möglichst viele Nutzer in ein und demselben Netzwerk befinden.

Geht es dem Amt also hier um kartellrechtlichen Verbraucherschutz? Hierzu wäre es nach dem neuen § 32e GWB zwar befugt, allerdings mit Hilfe von Sektoruntersuchungen. §§ 18, 19 GWB dürften hierfür nicht die richtige Rechtsgrundlage sein.

Fraglich ist ferner, ob die Nutzer den angedienten Schutz überhaupt wünschen, angesichts deren Sorglosigkeit im Umgang mit ihren Daten, d. h. ob die jetzt vom Amt induzierte Entwicklung überhaupt im Interesse der Verbraucher sein wird.

Denn das Amt lässt zunächst offen, wie sich Facebook nun zukünftig rechtskonform verhalten soll. Muss es den Nutzern etwa eine kostenlose Registrierung gestatten, selbst wenn diese der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten widersprechen? Dürfen nun auch alle schon registrierten Nutzer widersprechen, mit der Folge, dass Facebook alle gesammelten Daten (d. h. seine wesentlichen Assets) löschen muss? Wenn die Einnahmequelle des „targeted advertising“ versiegt, denn dafür benötigt Facebook die Daten, wird es dann eine Benutzungsgebühr erheben?

Letztlich handelt es sich ja um ein Tauschgeschäft: persönliche Daten gegen die Teilnahme am sozialen Netzwerk. Dass das Gratis-Internet nun mal nicht wirklich gratis ist, müsste eigentlich jedem Nutzer klar sein.

Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass sich das Amt, anders als die Kommission in Sachen Google, nicht lediglich darauf beschränkt, Verstöße festzustellen. Dort hatte die Kommission lapidar mitgeteilt, dass es Sache von Google sei, das Geschäftsmodell in rechtskonformer Weise zu ändern, mit der Folge, dass die Diskussionen in Brüssel über Google-Shopping auch lange nach Erlass der Bußgeldentscheidung intensiv fortgeführt werden.

Der deutsche Verbraucher hat nun jedenfalls einen mächtigen Beschützer an seiner Seite. Dabei darf das Amt aber Gratis-Angeboten im Internet, die den Verbrauchern innovative Dienstleistungen offerieren, nicht die wirtschaftliche Grundlage, d. h. die Finanzierung über zielgerichtete Werbung, entziehen.